I—
<
O
2
LU
O
o
KLASSIK
CDs
|
NEUES AUS
DER
MUSIKWELT
Händel
Bejun Mehta, Sophie Karthäuser, Sunhae Im u. a.,
B'Rck Orchestra, René Jacobs
Archiv/Universal 2 CDs
(160')
Mancher wird sich verwundert die
Augen reiben, wenn der Name René
Jacobs nicht gleichzeitig in Verbin-
dung mit seinem jahrzehntelan-
gen Labelpartner abgedruckt ist.
Nun ist der Dirigent tatsächlich ein-
mal fremdgegangen, um mit dem
B’Rock Orchestra aus Gent Händels
„Orlando“ aufzunehmen, nachdem
er das Werk an der Oper in Brüs-
sel bereits auf die Bühne gebracht
hatte.
Die Geschichte vom Muskelprotz,
dessen Innenleben weit mehr Brü-
che aufweist als sein Body, da er
leidenschaftlich liebt und dafür mit
Realitätsentzug bestraft wird, wird
hier auf ungemein dichte Weise er-
zählt. Gerade die Rezitative erwa-
chen „jacobshaft“ zu eigenem Le-
ben. Ausdruck als Wagnis, Instru-
mente als szenisches Mittel: Da
wird in den Cello- und Basstiefen
gegrunzt, in geigenden und holz-
geblasenen Höhen gezwitschert,
was die Partitur in des Dirigenten
Sinne nur so hergibt. Dazu kommen
die vielen lyrischen Inseln, einzel-
ne Arien, in denen eine Stimmung
erzeugt wird, die nur eine Quelle
kennt: den puren Klang, eine Art
l’art pour l’art des Barock.
Auch die fünf Solisten folgen Ja-
cobs Lesart in jeden Winkel: die
beiden Soprane Sunhae Im und So-
phie Karthäuser, die als Angelica
makellose Technik und pralle Ver-
zierungskunst mit einer reichen Pa-
lette an Farben verbindet, außer-
dem der Mezzo von Kristina Ham-
marström sowie der in seiner Tiefe
sonor-gewichtig-zauberische Kons-
tantin Wolff als Zoroastro und Be-
jun Mehta in der Titelpartie - den
Wahnsinn nimmt man ihm sofort
ab. Der Countertenor klingt mal
metallisch und strahlig, mal
bis in seine letzte Faser sen-
sibel, hier prunkend, dort ver-
unsichert, erst schillernd, dann
argwöhnisch, je nachdem. Eine
höchst lebendige Produktion.
Christoph Vratz
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Als Spezialist für Historische
Aufführungpraxis überzeugt
René Jacobs als Dirigent dieser
selten gespielten Händel-Oper
Diverse Kom ponisten
MOTHERLAND
Khatia Buniatishvili
Sony CD__________________________(
66
]
Ihre neue CD hat Khatia Buniatish-
vili Musik gewidmet, die sie be-
reits ihr ganzes Leben begleitet:
Werke von Bach bis Arvo Pärt. Die
Georgierin nähert sich den pianis-
tischen Miniaturen mit einem sanf-
ten, goldenen Ton. Bereits Bachs
Eröffnungsstück „Schafe können
sich weiden“ betört den Hörer mit
kantabler Melodiegestaltung und
fein abgetönter Begleitung. Weite-
re Highlights sind Mendelssohns
„Lied ohne Worte“, das sie mit
sparsamer Pedalisierung und leicht
getupften Akkorden gestaltet, so-
wie Chopins viel zu selten gespiel-
te Etüde op.
25
Nr.
7
, in der sie ei-
nen schmerzlich-beseelten Gesang
über den grummelnden Bassläu-
fen anstimmt. Allenfalls die Scar-
latti-Sonate könnte ein bisschen
mehr cembalistische Kernigkeit im
Ton vertragen.
mfv
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^
Khatia Buniatishvili
Diverse Kom ponisten
L’AMOUR
Juan Diego Florez, Orchestra e Coro del Teatro
Communale di Bologna, Roberto Abbado
Decca/Universal CD
(61')
Juan Diego Florez demonstriert seine
Meisterschaft im französischen Fach
sowohl bei den funkelnd-prunken-
den Paradestücken (etwa in der ti-
telgebenden Arie des Georges Brown
aus „Dame blanche“) wie auch in
den zärtlichen Phrasen seines ab-
wechslungsreichen Programms. Mit
„Prendre le dessin d’un bijou“ aus
„Lakmé“ schenkt er den Hörern das
im Titel der Arie beschworene Juwel
wie kein anderer Tenor in den Ge-
samtaufnahmen, die Arie des Paris
„Au mont Ida“ aus Offenbachs „La
belle Hélène“ singt er mit jauchzen-
dem Überschwang ähnlich brillant
wie Jussi Björling. Prachtvoll.
J. Ke.
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
‘
juorp,
ohannes Brahms
KLARINETTENQUINTETT U .A .
Martin Fröst, Janine Jansen u. a.
BIS/KC SACD_______________________ (79)
Diese neue Aufnahme mit Martin
Fröst zeigt nicht nur, wie innerlich
und hochempfindsam der schwe-
dische Klarinettist Brahms zu spie-
len versteht; sie zeigt auch, wie sich
Fröst selbst als Musiker entwickelt
hat.
2004
, im Alter von
34
Jahren,
nahm er mit dem Pianisten Roland
Pöntinen und Torleif Thedeen am
Cello das Klarinettentrio von Brahms
auf, erst
2013
folgte mit Kammermu-
sikfreunden, angeführt von Geige-
rin Janine Jansen, das Klarinetten-
quintett. Beide Aufnahmen sind nun
auf dieser CD vereint und zeigen:
Neun Jahre ist eine lange Zeit für ei-
nen noch relativ jungen Musiker wie
Fröst. Weiter, offener ist sein Klang
mittlerweile geworden, ungleich
nuancierter das Spiel; im Brahms-
Trio hat Fröst durchaus Prob-
leme, gegen Thedeen anzukom-
men, bleibt ihm gegenüber auch in
der Gestaltung ein wenig blass. Wie
phänomenal ist aber das Quintett
gelungen!
Fünf Solisten treten hier an, verbun-
den im Anspruch, nicht nur wohlklin-
genden Brahms zu spielen, sondern
das Drama dieses Stückes aufzude-
cken: zwischen drängender Sehn-
sucht und Innerlichkeit, Aufbegeh-
ren und Resignation. Packender, ris-
kanter hat man das selten gehört.
Die Spieler erkunden dabei Grenzre-
gionen der Dynamik, ohne dass da-
durch hartes oder übertrieben affek-
tiertes Spiel hörbar wäre: Jeder nutzt
schlicht die eminenten Möglichkei-
ten, die ihm zur Verfügung stehen.
Und in der Eleganz und Mühelosig-
keit des Spieles findet man zugleich
zu einem geschlossenen Ensemb-
lecharakter. Weil Fröst bekanntlich
auch in der Weltmusik zu Hause ist,
wird die von ungarischer Volksmu-
sik inspirierte Episode im langsamen
Satz endlich auch als solche erkenn-
bar: Fröst spielt hier mit leichtem Vib-
rato, was unmittelbar an den Klang
von Balkanklarinetten denken lässt.
Clemens Haustein
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
132 STEREO 8/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht